Halbkreismantel

Maciejowski-Bibel: Folio 5v
Maciejowski-Bibel: Folio 5v

Die Hintergrundidee:

 

Ein Halbkreismantel - sollte ja nicht schwierig sein und ist schnell gemacht.  So der Plan.

 

Damit der Mantel lang genug wird um auch in der Nacht als Decke zu dienen (siehe nebenstehende Abbildung)  beschlossen wir den Mantel bodenlang zu machen. 

Material

Für den Oberstoff nahmen wir Loden bzw. Walkloden, da diese die Anforderung der Wetterbeständigkeit am besten erfüllt. Außerdem sollte der Mantel ja auch gut warm sein, wird es am Abend doch teilweise schon sehr kühl.

 

Der Unterstoff stellt beide Male feineren Wollstoff dar, der gute wärmende Eigenschaften bei weicherem Tragekomfort vereint.

Durchführung

Ein Halbkreismantel ist schnell gemacht
Ein Halbkreismantel ist schnell gemacht

Da der Mantel bodenlang sein sollte, nahmen wir die Körpergröße plus einer Nahtzugabe von 5cm als Radius. die Nahtzugabe ist nötig, da der Mantel authentischerweise mit einem Futterstoff versehen wird.

 

Mittels Stift, einer daran angebundenen abgemessenen Schur und einer Schneiderkreide auf dem anderen Schnurende ist schnell ein überdimensionaler Zirkel gebastelt.

Mit diesem wird der Schnitt relativ einfach auf den Stoff übertragen. Durch anschließendes Nachmessen und eventuelles Korrigieren wird ein schöner Halbkreis erzielt.

 

Da die Stoffbahn nicht lang genug war mussten wir unten anstückeln. (Vgl. Kania 2010, S.429) Dies stellte sich allerdings als geringste Schwierigkeit heraus.

Problem 1:

 

 

Vorne geriet der Mantel trotz perfekten Halbkreis um ca 13-14 cm zu lang während er hinten von der Länge her genau bodenlang war.

 

 

Die Praktikabilität eines solchen Mantels, der vorne über den Boden schleift sei dahin gestellt, weshalb wir uns überlegte, wie wir dies ändern könnten.

Lösung 1:

Die Ecken hochgesteckt und schon schleift nichts mehr
Die Ecken hochgesteckt und schon schleift nichts mehr

Die überstehenden Ecken abzuschneiden wäre eine Lösung des Problems.

 

Wir berufen uns hierbei auf den sogenannten Mantel der Hl Elisabeth 2tes Viertel 13.Jhdt. (Vgl. Kania 2010, S.425) und auf einen Reitermantel aus dem 12. Jhdt. (Vgl. Kania 2010, S.416) bei dem die Seitenteile 5cm kürzer sind als der Rückenteil.

 

Ein Vesuch mit Abstecken glückte gut.

Problem 2:

Laut Kania 2010 wurde der Mantel der Hl. Elisabeth nachträglich beschnitten. Vom Reitermantel wurden nur die bestickten Medaillons auf einen neuen Stoff übertragen da der originale Trägerstoff zum großen Teil vergangen ist. Wissenschaftlich gesehen ist somit kein Rückschluss auf unsere Methode zulässig. Außerdem finden sich zum Beispiel bei Kaiser Otto IV (um 1200) (Vgl. Kania 2010, S.417) und Fernando de la Cerda (vor 1275) (Vgl. Kania 2010, S.432) erhaltene Mäntel, bei denen die Seitenteile sogar noch länger sind als der Rückenteil.

 

Lösung 2:

Maciejowski-Bibel: Folio 5r
Maciejowski-Bibel: Folio 5r

Der Mantel der Hl. Klara, vor 1253 (Vgl. Kania 2010, S.S429) ist genau ein Halbkreis mit einem Radius von 178cm. Ebenso beim Durchsehen unserer Bildquellen (sog. Maciejowski-Bibel und Heidelberger Liederhandschrift, sog. Codex Manesse) konnten wir die größere Länge der vorderen Enden im Vergleich zum restlichen Mantelsaum ausfindig machen. 

 

Es ergeben sich daher in unseren Augen zwei zulässige Lösungsansätze:

 

  • Ein kürzerer Mantel der ohne Nahtzugabe bis zum Boden reicht - und somit später Knöchellang ist - scheint hierfür, vor allem in Hinblick auf die Praktikabiliät am Lager, ein gute Alternative zu sein.
  • Authentischerweise waren alle Mäntel die im Werk von Frau Kania aufgeführt sind, sowie zahlreiche Abbildungen von gut situierten Personen, sowie bei allen Frauen bodenlang. (Vgl. Maciejowski-Bibel) Daher muss die Trageweise wie in den Abbildungen der Maciejowski-Bibel ersichtlich angepasst werden, um nicht den Boden aufzukehren.
Trageweisen nach der Maciejowski-Bibel: Folio 1r und Folio 7v
Trageweisen nach der Maciejowski-Bibel: Folio 1r und Folio 7v

Fazit

  • Wenn der Mantel inklusive Nahtzugabe so groß ist wie man selbst hat man nach dem Nähen die perfekte Mantelläge (ca. 5cm über dem Boden)
  • Zum Anziehen oben einen Kragen umgeschlagen und er sitzt perfekt.
  • Bei Regen einfach den Kragen über den Kopf ziehen.
  • Die vorne wegstehenden Ecken auf den Abbildungen werden oft fälschlicherweise als Rechtecksmantel gedeutet. Die Ecken entstehen aber einfach durch die Tatsache, dass der Weg des Stoffes über den Rücken durch dessen Rundung länger ist als wenn der Mantel einfach vorne nach unten hängt. Im Selbstversuch bei 2 Mänteln konnten wir eine Differenz von 13-14cm feststellen.
  • Dass die Seitenteile länger waren als der Rückenteil lässt für uns zwei mögliche Rückschlüsse zu: 
    • Eine andere, ev. modebedingte Trageweise mit gerafftem Mantel über den Arm geschlagen (Vgl. Maciejowski-Bibel: Folio 7v) oder bei Mänteln mit geringerer Rückenhöhe (Vgl. Kania, S. 432) ähnlich einer Toga gewickelt (Vgl. Maciejowski-Bibel: Folio 1r).
    • Die Beinfreiheit nach hinten wies praktische Vorteile beim Arbeiten auf, da man sich beim zurücksteigen nicht so leicht auf den Mantel steigen konnte, bzw. beim Hinsetzen der Mantel nur bodenlang blieb. Diese Art des Mantels ist somit auch für arbeitende Schichten zu empfehlen.

 


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