Die Entstehung meines "fast" mittelelterlichen Jagdbogens

Von 25.-28. März 2010 habe ich das Experiment gewagt und einen Bogenbaukurs besucht. Dort habe ich viel über Bogenbau, sowohl mittelalterlichen als auch neuzeitlichen gelernt. Mein Wissen, dass ich hier nun vermittle, stammt von meinem Lehrmeister Micha Wolf. Ich erhebe keinen Anspruch auf absolute Richtigkeit, da ich noch nicht jede der Informationen in irgendeinem Buch nachgelesen und belegt habe. Deshalb nenne ich meinen Bogen ja auch „fast mittelalterlich“.

 

Die ersten wichtigen Entscheidungen waren, was für ein Bogen soll es werden und welches Holz soll es sein. Ich habe mich von Micha beraten lassen, der sich auch mit der Geschichte der Bögen gut auskennt und nach seiner Einschätzung waren Recurvebögen damals schon als Jagdwaffen in Gebrauch. Hölzer kamen natürlich nur die in unseren Epoche gebräuchlichen in Frage: Eibe, Ulme und Esche. Aus finanziellen Gründen schied Eibe aus und nach Betrachtung der beiden anderen Hölzer entschied ich mich für Ulme.

Abziehen der Rinde mit einem Ziehmesser
Abziehen der Rinde mit einem Ziehmesser

Nun hatte ich einen schönen klotz Holz vor mir – ein bisschen in sich verdreht, was sich später noch bemerkbar machen sollte. Zuerst wurde die Rinde mit dem Ziehmesser entfernt. Ein Ziehmesser ist eine Klinge mit zwei griffen, die flach auf das Holz gelegt wird und Schicht um Schicht abträgt. Danach wurden die groben Maße aufgetragen und mit der Bandsäge zurechtgeschnitten. Im Mittelalter würde man dazu eine Behau- oder Handaxt verwenden. Beides sind Äxte mit etwa 20 cm. Langem Stiel. Die Behauaxt hat zudem den Vorteil, dass das Axtblatt nur einseitig geschliffen ist und daher auch nur schichtweise Holz von der Außenseite abgetragen wird.

Die verschiedenen Schichten im Holz
Die verschiedenen Schichten im Holz

Mit dem Ziehmesser wurden nun einige Jahresringe bis zum Frühholz eines bestimmten Jahresringes abgetragen. Ab dann wurde mit einer Ziehklinge das Frühholz entfernt und gab die Außenseite des Spätholzes des darunter liegenden Jahresringes preis. Eine Ziehklinge ist einem Stück Stahl dessen Kanten besonders geschliffen sind, im Mittelalter hat man dazu sehr Scharfe Messer verwendet, doch diese musste man sehr häufig nachschleifen.

 

Diese Prozedur wurde auf der ganzen Länge des Bogens angewandt und wird, das Freilegen des Bogenrückens bezeichnet. Was mich daran besonders faszinierte ist, dass Gefühl diesen freigelegten Jahresring zu berühren. Eine derart feine und angenehme Oberfläche ist mir bis jetzt nicht untergekommen.

Hiernach wurde die Bogenform nochmals ausgemessen und mit der Bandsäge weiter herausgearbeitet. Ab diesem Zeitpunkt wurden nun hauptsächlich Raspeln, Hobeln und Feilen verwendet. Um nämlich einem Stück Holz es überhaupt erst zu ermöglichen derart zu biegen, wie es für einen Bogen nötig ist, bedarf es eines gewissen Querschnitts. Der Querschnitt meines Bogens ist annähernd Oval. Um diese Form gut herausarbeiten zu können zeigte uns Micha folgenden Trick. Wir Raspelten zuerst eine Schräge in den rechteckigen Querschnitt, so dass es annähernd wie ein Dach aussah. Danach arbeiteten wir uns zum Oval weiter. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass sich der Bogen von der Mitte zu den Enden hin stätig verjüngen muss. Um meinen Bogen bei diesem Schritt soweit zu bringen, dass man sich an die Feinabstimmung wagen konnte brauchte ich einen ganzen Tag.

Der Bogen von Joarchim im Dampfbad
Der Bogen von Joarchim im Dampfbad

Nun war der Zeitpunkt gekommen die Recurves zu fertigen – aber wie? Die Antwort war so simpel, dass ich selber ganz erstaunt war. Wasserdampf! Das Ende des Bogens wurde in einen Topf mit kochendem Wasser gesteckt, so dass er nur dem Dampf, nicht dem Wasser direkt ausgesetzt war. Nach einer halben Stunde wurde der Bogen herausgeholt und in einem Speziellen Schraubstock in die Richtige Form gebogen. Nach einer halben Stunde Abkühlung hatte das Holz sich seine neue Form gemerkt.

Bogen mit Hornnocken am Tillerbaum
Bogen mit Hornnocken am Tillerbaum

Nach dieser Prozedur wurden die ersten Nockpunkte für die Tillersehne eingekerbt. Nocken sind die Rillen in denen bei Bögen die Sehne eingehakt wird. Tillern ist der Arbeitsschritt bei dem man die Biegung des Bogens betrachtet und „unrunde“ stellen ausbessert. Dazu spannt man eine Tillersehne auf den Bogen. Die Tillersehne ist länger als eine gewöhnliche Sehne, ansonsten würde man den Bogen noch zu stark belasten. Der Bogen wir dann auf einem Tillerbrett langsam gespannt und beobachtet wie er sich biegt. Danach hatte ich noch viel ab zu feilen und wieder glatt zu schmirgeln, bis mein Bogen sich gleichmäßig rund bog.

 

Noch bevor wir den Bogen komplett fertig getillert haben, haben wir noch Hornverstärkungen für die Nockpunkte gefertigt. Da diese widerstandsfähiger sind als Holz vermindern sie die Abnützung. Ob im Mittelalter in unserer Region schon Hornnocken verwendet wurden wusste Micha nicht genau. Aber er konnte von vielen Techniken berichten die Nahelegen, dass es im Mittelalter zumindest die Möglichkeit dafür gab. Ich habe mich dafür entschieden, weil meine ersten selber gebauten Bögen auf Hornnocken noch verzichten werden und ein wirklich authentischer Bogen noch einiges an Recherchen bedarf.

Nach 3 Tagen harter Arbeit war es so weit und ich konnte meinen Bogen das erste Mal bespannen und den ersten (selbstgemachten) Pfeil damit verschießen. Ich muss sagen es war eine lehrreiche Zeit und ich bin sehr stolz auf meinen fast mittelalterlichen Jagdbogen.

 

Damit waren die Arbeiten an meinem Bogen aber nicht zu Ende. Ich habe vorher erwähnt, dass die Eigenspannung im Holz sich noch bemerkbar machen würde. Nach zwei Wochen ohne Belastung zeigte mein Bogen plötzlich ein sehr ungleiches Verhältnis bei der Biegung der beiden Wurfarme. Der Untere hatte seine Eigenspannung eingebüßt und war dadurch schwächer geworden. Das Problem löste sich dadurch, dass ich den anderen Wurfarm ebenfalls schwächte. Jetzt hat mein Bogen nur mehr 38 Pfund Zugkraft, statt 48 – was mir als recht untrainiertem Bogenschützen durchaus zu gute kommt ;-)


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