Sprache im Mittelalter

Codex Manesse: Folio 249v
Codex Manesse: Folio 249v

Mittelhochdeutsch (1050-1350)

 

Mittelhochdeutsch wurde im Hoch- und frühen Spätmittelalter gesprochen. Bis in die Mitte des 13. Jhds. ist Mittelhochdeutsch hauptsächlich als Sprache der Dichtung überliefert. Gebrauchssprachliche Quellen wie Rechtstexte, Sachliteratur, Chroniken, religiöse Literatur u.ä. sind erst ab Mitte des 13. Jhds. breiter überliefert. Ältere Texte aus diesen Themenbereichen sind üblicherweise noch in Latein verfasst.

 

Im Hochmittelalter sind die Höfe der Adeligen die Zentren der Literatur doch ab Ende des 13. Jhds. bekommen die Städte immer mehr Anteil am Literaturprozess. Ritterlich-höfisches Epos, Heldenepos, Minnesang und Spruchdichtung sind die dominierenden Literaturgattungen.

 

Feste Fürstenhöfe als Mittelpunkt der Kultur und Gesellschaft verschaffen den Dichtern ein relativ sicheres literarisches Mäzenatentum und das notwendige adelige Publikum. Es entstanden auch zeitweilige Residenzen der Fürsten und Landesherren, die durch das Land zogen, Recht sprachen und Adelige um sich scharrten. Auch die Residenzen hatten große Wichtigkeit für die Literatur, ebenso wie die adeligen Frauen. Abgesehen vom Schreiber bestand die Hofgesellschaft hauptsächlich aus Analphabeten, nur die Frauen konnten lesen. Daher waren sie auch oft Adressantinnen mhd. Dichtung und hatten großen Einfluss auf das Urteil des Publikums (>Hohe Minne). Minnelieder wurden meist von den Rittern im Zuge des Frauendienstes verfasst und vorgetragen.

 

Ab Mitte des 13. Jhds. entwickelten sich Städte und gewannen an Bedeutung. Das Bürgertum bildete sich als neue Gesellschaftsschicht der Handwerker heraus und mit Entstehung der Zünfte florierte auch der Handel. Daher wurde auch die Literatur in den Städten wichtig und manche Dichter schlossen sich dem fahrenden Volk an, um ihre Lieder zu verbreiten (>niedere Minne).

 

Die folgende Übersicht zeigt das Vokalsystem des Mittelhochdeutschen:

 

Kurzvokale: a, e, i, o, u, ä, ö, ü,

Langvokale: â, ê, î, ô, û, æ, œ, iu (langes ü)

Diphthonge: ei, ie, ou, öu, uo, üe

 

Es ist zu beach ten, dass ei als e+i (nicht wie nhd. als [ai], sondern wie engl. [ay] wie in ‚to say’) und ie als i+e (nicht nhd. langes i, sondern getrennt wie lat. ‚capierunt’)

 

Sangspruchdichtung/Minnesang 

 

Neben Prosa (>Heldenepos/ ritterlich-höfisches Epos) bildete die Lyrik die dominierende literarische Gattung des Hochmittelalters, dabei sind zwei Formen zu unterscheiden: Minnesang und Sangspruchdichtung.

 

Der eigentliche Minnesang (von mhd. minne = nhd. Liebe), die sog. „hohe Minne“, war hauptsächlich eine Liebhaberei zwischen den adeligen Rittern, die im Zuge des Frauendienstes Minnelieder verfassten und vortrugen. Dabei handeln die Gedichte von einer fiktiven Liebe zu einer höhergestellten, unnahbaren Frau (daher oft mit ‚Herrin/Dame’ übersetzt). Formal sind die Lieder meist in mehrere Strophen gegliedert (Ausnahme: Heinrich von Morungen) und zwei wichtige Vertreter sind Dietmar von Aist und Heinrich von Morungen. Eine neue Form des Minnesangs entwickelte Walther von der Vogelweide, die sog. „niedere Minne“. Dabei kommt die Besungene aus einer niedrigeren gesellschaftlichen Schicht und ist somit erreichbar.

 

Im Gegensatz zum Minnesang reichen die Themen der Sangspruchdichtung von Religion über Ethik, Moral, Totenklage, Fürstenpreisung- und Tadel, der Kritik an weltlichen und kirchlichen Missständen, der Satire und Polemik bis zur Kritik an Künstlerkollegen. Der Vortrag dieser Dichtungsform unterschied sich zu Beginn nicht vom Minnesang. Die lyrischen Werke wurden gesungen. Der Ursprung der Bezeichnung Sang-Spruchdichtung zeugt noch von dieser Anfangsphase. Verfasser waren vornehmlich Nichtadelige, im Gegensatz zum Minnesang, der von Fahrenden und Adeligen gleichermaßen behandelt wurde, also ständeübergreifend seinen Anklang fand. Spruchdichtung ist allerdings kein Zeitvertreib, sondern die Lebensgrundlage und der Broterwerb für die Dichter, zählt zur Gebrauchslyrik und wurde somit von professionellen Dichtern betrieben und häufig in Form von Auftragswerken angefertigt. Wichtigster Vertreter ist Walther von der Vogelweide, der sowohl in der Minnelyrik als auch in der Sangspruchdichtung Hervorragendes geleistet hat und somit als der bedeutendste Vertreter der mittelhochdeutschen Lyrik gilt.

 

Auszug aus einem Gedicht:

 

Dû bist mîn, ih bin dîn.

des solt dû gewis sîn.

dû bist beslozzen

in mînem herzen,

verlorn ist daz sluzzelin:

dû muost ouch immêr darinne sîn.

 

Du bist mein, ich bin dein,

dessen sollst du sicher sein.

Du bist eingeschlossen

in meinem Herzen,

verloren ist das Schlüsselein,

du musst für immer drinnen sein.

 

Es findet sich als zusammenfassender deutscher Abschluß am Ende eines rhetorisch-gelehrten, ansonsten in lateinischer Sprache geschriebenen Liebesbriefes einer hochgestellten Dame und Nonne an ihren Lehrer, einen Kleriker. Thema des Briefes ist die "amicitia", die Freundschaft. Im darauffolgenden Brief wirbt der Geistliche um die Dame, die ihn aber in einem dritten Brief klar abweist - sie hat das Gedicht offenbar eher platonisch gemeint. Alle drei Briefe stammen aus einer Briefsammlung des Werinher von Tegernsee, die uns in einer um 1200 geschriebenen Handschrift erhalten ist (Codex lat. 19411).

 

Lautwandel – von Mittelhochdeutsch zu Neuhochdeutsch

 

Nhd. Diphthongierung

 

nennt man die Entwicklung von einem (gesprochenen) Vokal zu einem Diphtong. Die mhd. Langvokale i, u, iu (gesprochen ü) werden im Nhd. zu ei, ou, eu, au.

z.B. win > wein; hus > haus; hiute > heute;

 

Nhd. Monophthongierung

 

nennt man die Entwicklung von einem Diphtong zu einem Vokal (meist lang gesprochen).

Die mhd. Diphtonge ie, uo, üe werden im Nhd. zu i, u, ü.

z.B. guot > gut; brüeder > brüder;

 

Nhd. Diphtongwandel

 

Die mhd. Diphthonge ei, öu, ou werden geöffnet zu ei, eu/äu, au.

z.B.: bein [ei] > Bein [ai]; böume > Bäume; boum > Baum;

 

Rundung und Entrundung

 

Schon im 13. Jhd. tauchen im Bairischen Schreibungen auf, die normal im mhd. mit ö, ü, öu, üe mit e, i, ai (ei), ie wiedergeben werden. Diese Schreibungen zeugen von einem Vorgang in der gesprochenen Sprache, der unter dem Begriff Entrundung zusammengefasst wird. Schreibungen wie bes für böse, heren für hören, mide für müde sind in hoch- und spätmittelalterlichen Schriften keine Seltenheit. Manche dieser Aussprachen blieben bis heute in verschiedenen Dialekten erhalten.

Der Entrundung entgegengesetzt sind Rundungsvorgänge, die vor allem im niederdeutschen aber auch im hochdeutschen Raum vor sich gingen. Dies prägte meist nur die Dialekte, manche Wörter setzten sich jedoch bis ins Neuhochdeutsche durch, z.B. leschen > löschen; zwelf > zwölf; wirde > Würde;

 

Palatalisierung

 

Im Mhd. unterschied man s und z, das als ts oder ß ausgesprochen werden konnte. s vor Konsonanten am Wortanfang, so vor l, m, n, r und w, wird zu sch z.B.: mhd. slichen > nhd. schleichen. Bei sp- bzw. st- ist dies nicht orthografisch gekennzeichnet. z.B.: mhd. sprechen [s] > nhd. sprechen [sch] Ebenso wird das s nach r zu sch (mhd.kirse > nhd. Kirsche) und das alte z vor t.

 

Dehnung in offener Tonsilbe

 

Kurzvokale werden in offenen Tonsilben (also Silben, die auf einen Vokal enden) zu den entsprechenden Langvokalen gedehnt.

 

 

Quellen:

 

  • dtv-Atlas zur deutschen Sprache ISBN 3-423-03025-9

  • 1Deutsche Gedichte des Mittelalters (Reclam) ISBN 978-3-15-008849-4

  • http://de.wikipedia.org/wiki/Minnesang 

  • http://blog.sil53r-surf3r.de/archives/496-Du-bist-min,-ih-bin-din.html

 

....weitere Informationen zur Sprache im Mittelalter findet ihr in folgender Maturaarbeit von Caroline zum Thema "Analyse der deutschen Sprache und Schrift anhand hochmittelalterlicher Gedichte"

Sprache im Mittelalter
Mittelhochdeutsch.doc
Microsoft Word Dokument 39.0 KB

Impressum | Datenschutz | Cookie-Richtlinie | Sitemap
Copyright by Burgaere Lintze