Der Salernitaner Arzt

Ciba Zeitschrift Nr.56 "Der Salernitaner Arzt" von Dr. A. G. Chevalier, Berlin - Wilmersdorf, Verlag und Redaktion- Wissenschaftliche Abteilung der Ciba-Aktiengesellschaft 1938

Eine gelungene Therapie hängt vom Wissen aber auch vom Benehmen des Arztes ab

Beschrieben in Lehrbüchern vom 12. – 17. Jhdt.

(z.B.: Archimathäus "De instructione medici" 17. Jahrhundert, anonyme "De adventu medici" 17.Jhdt )

 

Wie der hippokratische, so ist auch der salernitanische Arzt fromm;

 

GRENZEN ärztlicher Kunst. gelingt nicht immer, die Krankheit zu erkennen,

Vorfeld: vom Botenbereits möglichst viel über den Kranken und über alle in Betracht kommenden Umstände zu erfahren.

 

KLEIDUNG - soweit es die Mittel irgend erlauben: prächtig gekleidet und reitet auf einem Pferd, dessen Geschirr möglichst glänzend sein soll, weil, wie es im "Regimen" heißt, nur ein stattlich und reich aussehender Arzt ein großes Honorar verlangen kann.

1) BEICHTE - hat der Patient gebeichtet? Nein: Lässt sich feierlich versprechen, daß er dies unverzüglich tun werde.

Grund: Patient nach der Untersuchung nicht beunruhigen und ihm Todesängste einzujagen.

Damit entscheidet Archimathäus eine Polemik, zwischen Ärzten und Theologen.

Kirche verlangt: Schwerkranken über seinen Zustand aufklären und ihn zur Erfüllung seiner religiösen Pflichten auffordern solle.

Ärzte sträubten sich dagegen mit Rücksicht auf die Ruhe des Kranken. Galen riet in hoffnungslosen Fällen den Patienten unentwegt die Wahrheit zu verbergen.

 

setzte sich ein Arzt über das Beichtgebot hinweg, oder starb ein Patienten, ohne gebeichtet zu haben, so konnte der Arzt aus der Kirche ausgestoßen werden.

schon vor der Untersuchung zum Beichten veranlasst => Recht, den rein medizinischen Standpunkt zu vertreten = dem Kranken Verschlimmerungen zu verheimlichen.

 

 

2) ZUVERSICHT - Arzt: wohlwollend, teilnahmsvoll und zuversichtlich gestimmt

= Retter und Freund

 

3) PULS messen

 

4) HARNSCHAU - Überprüfung von Menge, Dichte und Farbe des Harnes, sowie die vorhandenen Trübungen,

„denn abgesehen davon, daß diese Beobachtungen für die Diagnose aufschlußreich sein können, ist es auch wünschenswert, daß der Patient und seine Umgebung die Gewissenhaftigkeit des Arztes bewundern können.“

 

5) GOTTES HILFE - Ungeachtet des Ergebnisses der ersten Untersuchung verspricht er dem Kranken, dass er mit Gottes Hilfe bald genesen werde.

 

6) SCHWERER FALL - Der Familie teilt man in ernstem Ton mit, dass es sich um einen schweren Fall handle;

Grund: dadurch erhöht der Arzt sein Verdienst beim Gelingen der Kur und vermindert bei schlechtem Ausgang seine Verantwortung.

 

7) THERAPIE - auch wenn der Arzt sie für überflüssig hält.

Grund laut Archimathäus: wenn der Kranke merkt, daß er ohne Zutun des Arztes gesund wurde, so kürzt er bestimmt das Honorar.

 

8) ERNÄHRUNG - Das Diätetische hat Priorität: für jede Einzelheit der Ernährung des Kranken Interesse zeigen; viel Kochrezepte kennt, und die Art versteht, wie man die Speisen dem Kranken servieren soll, damit sie seinen Appetit anregen.

 

9) ERNSTER ABSCHIED - Der Abschied vom Kranken soll ernst sein, erst wenn er schon Rekonvaleszent ist, soll der Arzt gute Laune und Freude zeigen.

"Exige dum dolor est", fordere, solange der Schmerz besteht (Regimen sanitatis; 15.Jhdt)

 

10) HONORAR - Wenn trotzdem der Arzt am Ende der Kur sein Honorar nicht erhalten sollte, rät Magister Salernus (12 Jhdt.) dem Patienten Alaun statt Salz zur Bereitung der Speisen zu verschreiben, oder ihn auf irgend eine andere unauffällige Weise wieder krank zu machen, damit er seine Abhängigkeit vom Arzt zu spüren bekomme!

 

RECHTLOS - Ärztliche Stand vom Recht nicht geschützt, Kein Gesetz bestimmte das Honorar

 

Einzige Rechenschaft = Beichte.

Kirche untersagte neue oder nicht unbedingt bewährte Mittel zu verwenden, auch in aussichtslosen Fällen. Bsp.: Rolandus von Parma (1240), Schüler des großen Salernitaner Chirurgen und Praktikers Roger Frugardi, suchte beim Erzbischof um Bewilligung zu einer schweren und ungewohnten Operation an

Gilles de Corbeil berichtet Anfang 13.Jhdt von der Anarchie in der Civitas Hippoctratica

 

 

ERLASS VON 1240 - im 13. Jahrhundert, alles bis ins Kleinste geregelt

=> Kaiser Friedrich II. (1215-1250) ein Förderer der Wissenschaften und ein Anhänger straffer Einrichtungen, organisieren den ärztlichen Stand

 

1) ÖFFENTLICH - Ablegung des von König Roger II. (1130-1154) geforderten Examens in einer öffentlichen Versammlung von seinen Lehrern geprüft und für fähig zum ärztlichen Beruf erklärt

 

2) KAISER - Zeugnisse + Bestätigung seiner legitimen Herkunft + makellosen Leumundes an den Kaiser selbst oder an seine Stellvertreter schicken. Von ihm erst erhielt er die gültige Bewilligung zur Ausübung der Praxis und das Ärztliche Diplom.

 

3) ARME - eidlich verpflichten, daß er armen Kranken unentgeltlich beistehen und ihnen auch die Arznei geben würde.

 

4) FORTBILDUNGS PFLICHT - schwören, daß er sich in seinem Beruf ständig vervollkommnen und seine Pflichten treu erfüllen werde.

 

5) LOGIK - der arabischen Medizin: Friedrich II. sagte "Da man die medizinische Wissenschaft nur dann verstehen kann, wenn man vorher etwas Logik gelernt hat, so befehlen wir, daß niemand zum Studium der Medizin zugelassen werde, bevor er sich nicht drei Jahre hindurch mit Logik beschäftigt hat. Nach diesen drei Jahren mag er, wenn er will, zum Studium der Medizin übergehen. Auf letzteres muß er fünf Jahre verwenden und sich innerhalb dieser Zeit auch Kenntnisse in der Chirurgie erwerben, weil dieselbe einen Teil der Heilkunde bildet. Die Lehrer sollen während dieses Quinquenniums in ihren Vorlesungen echte Schriften des Hippokrates, Galen und Avicenna über die Theorie und Praxis der Heilkunde erklären".

 

6) ANATOMIE - einmal in seiner Studienzeit praktischen Übungen an einer menschlichen Leiche beiwohnen, (bisher am Schwein studiert)

 

7) CHIRURGIE - Auch Chirurgen müssen Studien nachweisen und Prüfungen ablegen, aber sie müssen schwören, daß sie nie innere Krankheiten behandeln werden.

 

8) LEHRE – Zusatzprüfung vor diplomierten Fachlehrern und Reichsbeamten,

=> erhält Auszeichnungen, Lehrbewilligung und Doktortitel.

"venia docendi" = Pflicht, die Apotheken der Stadt Salerno zu beaufsichtigen, vorschriftsmäßige Bereitung der Arzneien und ihre Verkaufspreise zu überwachen. Strengstens ist untersagt, von seiner Lehrerlaubnis außerhalb Salernos Gebrauch zu machen.

 

STELLUNG - Von Staats wegen Pflichten auferlegt = von Staats wegen für seine Ehre gesorgt.

gesellschaftliche Privilegien: sein Stand wird offiziell in einen höheren Rang erhoben.

steuerfrei wie der Adel,

Kleiderverordnungen erlauben ihm und seiner Frau das Tragen von farbigen Kleidern, von Schmuck und von gewissen Pelzarten, die den gewöhnlichen Bürgern verboten sind.

Honorarfrage geregelt = Würde des Arztes unangetastet,

 

HONORAR = kleine Entschädigung für die Anstrengung der Behandlung und die Mühen des Studiums; nicht der Dienst des Arztes, sondern der Patient trägt ihm eine Schuld ab.

 

ANZAHL der Arztbesuche und das Honorar ist festgesetzt => Arzt und Patient stehen einander frei gegenüber.

zweimal täglich und auf ausdrückliches Verlangen, einmal in der Nacht

ein Besuch am selben Orte = halben Goldtarenus = ca 6,50€;

außerhalb der Stadt, außer den Reisekosten 3-4 Goldtarene = 40-50€

 

DIALEKTIK - philosophische Vorbildung => Krankenbett nicht den Tatbestand erkennen sondern rationalistisch, dogmatisch, nach Prinzipien abzuleiten und logisch zu begründen

entfremdete der hippokratischen medizinischen Forschung und der Praxis

 

STUDIENORDNUNG Friedrichs II. auch von den anderen führenden medizinischen Fakultäten eingeführt: Paris, Montpellier und Bologna.

verstaatlichten Salernitaner Schule => Könige von Frankreich und England begannen im 14. Jahrhundert sich in die Angelegenheiten der Universitäten ihres Landes, die meistens kirchlichen Charakter trugen, einzumischen.

Salerno, auch nachdem es aufgehört hatte, die maßgebende europäische Medizinschule zu sein, für die Gestaltung des ärztlichen Standes ausschlaggebend geworden und in ganz Europa wurde der Arzt nach dem Bilde geformt, das Salerno entworfen hatte.

 

Zusammenfassung von Sandra Weilnböck

Die Originalpublikation zum Download und selbstständigem nachschmökern findet man hier.

 


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